Quelle: Prenzlberger Stimme

Straßenbahn im Kissingenkiez – Tangente Pankow-Weißensee (Stand November 2018)

Ende 2016 wurde die Straßenbahntangente Pankow<=>Weißensee im Koalitionsvertrag der rotrotgrünen Berliner Regierung festgehalten. Knapp 2 Jahre später informiert die Berliner Verkehrsverwaltung über den aktuellen Stand und bittet um Hinweise zur Trassenführung.

Der Essenssaal der Max-Bill-Oberschule in der Gustav-Adolf-Straße war gut besucht, als die Berliner Verkehrsverwaltung am Abend des 7. November 2018 über den aktuellen Stand zur Straßenbahntangente Pankow-Weißensee infomierte. Die Bürgerinnen und Bürger bekamen darüber hinaus nicht nur den aktuell erarbeiteten Projektstand vorgestellt, sondern hatten auch vor Ort und vor Beginn des formellen Beteiligungsverfahrens die Möglichkeit sich einzubringen.

Verwaltung benötigt die Bürger*innenbeteiligung um Vor- und Nachteile der Trassenvarianten zu sammeln

Auf der Veranstaltung wurden zunächst die einzelnen Schritte im Planungsprozess erläutert. Dann folgte das worauf die meisten Anwesenden gewartet hatten: die Vorstellung und Erläuterung der einzelnen bisher betrachteten Trassenvarianten der neuen Strecke. Wichtig ist den Planer*innen in der Verkehrsverwaltung vor allem, dass sich die “Expert*innen vor Ort”, also die Bürger*innen in den betroffenen Ortsteilen, beteiligen können. Mit Hilfe des Inputs aus der Bevölkerung ließen sich die Vor- und Nachteile der einzelnen Trassenvarianten besser bewerten können. Die Hoffnung der Planer*innen dabei ist, dass auf der Grundlage dieser Bewertungen dann mögliche Konflikte frühzeitig erkannt werden können. Dazu sammelt die Senatsverwaltung noch bis 21. November 2018 Kommentare und Anregungen auf der Beteiligungsplattform des Landes Berlin zu den einzelnen Trassenvarianten der Straßenbahntangente.

Informationsveranstaltung am 07.11.2018 in der Max-Bill-OberSchule an der Gustav-Adolf-Straße.

Vor Ort gab es jedoch noch einige Informationen zum weiteren Verfahren, was bisher feststeht und was noch offen ist. Nach den einführenden Informationen wurden in kleineren Gruppen, so genannten Dialoginseln, Fragen von den Planer*innen beantwortet und Anregungen und Kommentare zu den einzelnen Trassenvarianten in den Ortsteilen aufgenommen.

Stellwand mit Kommentaren und Anregungen zur Trassenführung durch den Kissingenkiez an der Dialoginsel Pankow.
Stellwand mit Kommentaren und Anregungen zur Trassenführung durch den Kissingenkiez an der Dialoginsel Pankow.

Weiteres Verfahren:

Das ambitionierte Ziel der rotrotgrünen Koalition, den Baubeginn bis zum Ende der Legislatur 2021 einzuleiten, wird kaum einzuhalten sein: die Variantenbetrachtung, die Vor- und Entwurfsplanung sowie die Genehmigungsplanung und das förmliche Planfeststellungsverfahren werden ab Beginn 2018 mit ca. 5 Jahren angesetzt. Damit erscheint ein Baubeginn frühestens 2023 realistisch.

Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz
Zeitlicher Ablauf der Planungsprozesses: vorgestellt auf der Informationsveranstaltung am 07.11.2018. Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Derzeit befinden sich die Planer*innen in der Variantenbetrachtung. Um eine Vorzugstrasse zu ermitteln, müssen vorerst so viele Trassenvarianten wie möglich betrachtet werden. In diese Betrachtungen wurden daher auch Trassenvarianten mit aufgenommen, die, so wie die Trassenvarianten durch die Binzstraße, mit Hinblick auf Realisierung so gut wie ausgeschlossen sind.

was bisher feststeht:

  • Die Strecke wird für das Jahr 2030 und mit den entsprechenden Prognosen und Anforderungen geplant. Dieser Zeithorizont setzt bspw. auch die Umsetzung des Blankenburger Südens, des Pankower Tors und die Verkehrslösung Heinersdorf (Netzelemente N 1, N 2 und N4) samt Straßenbahntrasse Blankenburger Süden voraus. Auch weniger große Vorhaben wie in der Iduna-/Neukirchstraße und das Projekt Alte Gärtnerei werden in den Planungen berücksichtigt.
  • In den Untersuchungen wird auch berücksichtigt, dass eine Straßenbahn zu verminderten Autoverkehr beitragen kann.
  • Untersucht wurden knapp 20 Trassenvarianten. Anhand verschiedener Kriterien, wie bpsw. der Reisezeit, der (Fahrgast-)Potentialerschließung, der Wirtschaftlichkeit, städtebaulicher Aspekte und der zu tätigen Investitionen, soll aus den vorgestellten Trassenvarianten in den nächsten Planungsschritten die Vorzugstrasse festgelegt werden.
Kriterien der Trassenbewertung zur Bestimmung der Vorzugstrasse: vorgestellt auf der Informationsveranstaltung am 07.11.2018. Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Die einzelnen Trassenvarianten:

Die einzelnen Trassenvarianten im Überblick
(die Trassenvarianten lassen sich einzeln anklicken):

Click title to show track
Trassenvarianten 1
Trassenvarianten 2
Trassenvarianten 3
Trassenvarianten 4
Trassenvarianten 5

Zwar ist nach Aussage des vom Senat beauftragten Beratungsunternehmen Intraplan Consult die Trassenbewertung offen, dennoch ist absehbar, dass einige Variantenbündel in der Bewertung besser abschneiden werden. Die Trassenvarianten 3 bis 5 stehen nach der ersten Stufe der Bewertung besser als die Varianten 1 und 2 da. Einige von den Planer*innen auf der Veranstaltung genannten Vor- und Nachteile, die zur endgülitgen Bewertung beitragen werden, sind:

  • Die Trassenvarianten 1 und 2 führen vor allem durch Kleingärten. Dadurch verringert sich zwar die Reisezeit auf der Gesamtstreck, aber die Erschließungsfunktion der Strecke ist auch deutlich geringer.
  • Die Querung der Prenzlauer Promenade wird von den Planer*innen als Herausforderung gesehen. Die Varianten 4 A und 5 A haben hierbei den Vorteil die Autobahnunterquerung am S-Bahnhof Heinersdorf zu nutzen.
  • Die Variantenbündel 4 und 5 sowie 3 D binden den S-Bahnhof Heinersdorf an.
  • Die Varianten 3 und 5 A bieten eine vergleichsweise gute Erschließung der Wohnbaugebiete, insbesondere des Pankower Tors.
  • Die Varianten bei denen ein “besonderer Bahnkörper” (die Straßenbahn fährt hier vom restlichen Verkehr unbeeinträchtigt – meist abseits der Fahrbahn) umsetzbar ist, werden gegenüber den Varianten mit “straßenbündigen Bahnkörper” höher bewertet.
Fährt die Strassenbahn unabhängig vom Autoverkehr? Trassenvarianten auf “Besonderen Bahnkörper” werden höher bewertet: vorgestellt auf der Informationsveranstaltung am 07.11.2018. Quelle: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Die einzelnen Trassenvarianten und der Kissingenkiez:

Die Trassenbündel 1 und 2 führen direkt durch den Kissingenkiez. Im Vergleich zu den Trassenbündeln 3 bis 5 wurden dieser Trassenführung schon auf der Veranstaltung geringe Chance auf Realisierung eingeräumt. Vor allem die Trassenvarianten 1 A bis 1 D durch die Binzstraße bekommen von den Planer*innen schon jetzt keine guten Noten und wurden nur pro forma in die Bewertung mit aufgenommen.

Eine Straßenbahn durch die Binzstraße ist sehr unwahrscheinlich

Der Querschnitt der Binzstraße lässt nur einen straßenbündigen Bahnkörper zu. Zudem könnte die Straßenbahn aufgrund der Trassierung in einer Nebenstraße nur maximal 30 km/h fahren. Die Binzstraße hat auch vergleichsweise wenige Querungsmöglichkeiten um das Fahrgastpotential nördlich und südlich der Binzstraße entsprechend abzuschöpfen. Die Wege zu den möglichen Haltestellen in der Binzstraße wären aus den umliegenden Straßen bspw. der Borkumstraße sehr weit.

Stellwand mit detailierten Trassenvarianten durch den Kissingenkiez.

Bei den Varianten 1 E, 1 F sowie 2 A bis 2 D mit ihrer Führung durch die Kissingenstraße müssen auch städtebauliche Aspekte bei der Trassenbewertung berücksichtigt werden. Der Kissingenkiez ist nicht nur mit einzelnen Gebäuden wie dem Rosa-Luxemburg-Gymnasium oder der Kirche St. Georg in der Landesdenkmaldatenbank vertreten. Auch der Kissingenplatz und der gesamte nordöstliche Kiezteil ist als Ensemble oder Gesamtanlage denkmalgeschützt.

Große Teile des Kissingenkiezes sind denkmalgeschützt: Auch das muss bei der Trassenbewertung für die Straßenbahn berücksichtigt werden. Quelle: Geoportal Berlin / [Denkmalkarte Berlin]
Der Kiez könnte mit einer Straßenbahn über die Kissingenstraße besser und verlässlicher als über die verspätungsanfällige und staugefährdete Buslinie 255 an das ÖPNV-Netz angeschlossen werden. Die Kissingenstraße bietet dafür auch genügend Platz um die Straßenbahn hier unabhängig vom restlichen Verkehr führen zu können. Und auch für viele Schüler*innen des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums könnte die Straßenbahn mehr Komfort, Platzangebot und Zuverlässigkeit auf dem Schulweg bieten.

Auch eine Trasse über die Kissingenstraße ist unwahrscheinlich

Deutlich negativ dagegen wird von den Planer*innen die weitere Trassierung über die Kissingenstraße hinaus durch die Einfamilienhaussiedlung und/oder die Kleingärten östlich der Prenzlauer Promenade gesehen. Auch würde die Straßenbahn in der Kissingenstraße das neue Quartier am Pankower Tor nicht so gut wie entlang der Granitzstraße erschließen können.

Beteiligung und Kommentierung der Trassenvarianten ist von der Verwaltung ausdrücklich erwünscht

Die Verkehrsverwaltung bittet ausdrücklich um Kommentierung der einzelnen vorgestellten Trassenvarianten. Kommentare und Hinweise zu den Trassen können noch bis zum 21. November 2018 auf der Beteiligungsplattform des Landes Berlin abgegeben werden.

Auf einer Stellwand vorgestellte Skizze einer möglichen Trassierung durch die Kissingenstraße.
Auf einer Stellwand vorgestellte Skizze einer möglichen Trassierung durch die Granitzstraße.
Auf einer Stellwand vorgestellte Skizze einer möglichen Trassierung auf der Prenzlauer Promenade.

Was offen ist:

Der Planungsprozess befindet sich noch in den ersten Schritten. Neben der genauen Trassenführung sind darüber hinaus auch noch viele andere Punkte offen:

  • Zwar wird bei der Planung der Strecke die Realisierung des Pankower Tors und des Blankenburger Südens vorausgesetzt, aber dennoch hängt die genaue Trassierung auch von dem Verlauf und der Umsetzung dieser Projekte ab.
  • Mehr Straßenbahnstrecken benötigen auch mehr Straßenbahnen. Damit diese auch entsprechend abgestellt und gewartet werden können, plant die BVG einen Straßenbahnbetriebshof in Pankow. Der alte Straßenbahnhof in Niederschönhausen ist zu klein, im Netz vergleichsweise schlecht angebunden und besitzt auch kein Testgleis über mehrere hundert Meter. Daher sucht die BVG nun vor allem im Bereich Blankenburg/Heinersdorf nach geeigneten Flächen für einen neuen Betriebshof. Die genaue Lage Betriebshofes kann auch erst mit der Festlegung der Vorzugstrasse für die Tangentialverbindung bestimmt werden.
  • Die auf der Veranstaltung gestellten Fragen hinsichtlich der Verkehrsführung und der Verkehrssicherheit während der Baumaßnahmen und Ersatzverkehre können erst nach der Festlegung der Trasse in den Ausführungsplanungen beantwortet werden.

Artikel zum gleichen Thema: Straßenbahn im Kissingenkiez – Tangente Pankow-Weißensee (Stand November 2016)

* Das Titelbild wurde freundlicherweise von der Prenzlberger Stimme zur Verfügung gestellt.

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