Der zu beratende Antrag lautet wie folgt:
Das Bezirksamt wird gebeten, zu prüfen, ob stadtauswärts führender Radverkehr ab der Kreuzung Prenzlauer Promenade/Am Steinberg/Thulestraße auch auf dem auf der westlichen Straßenseite der Prenzlauer Promenade vorhandenen Radweg geführt werden kann, und welche baulichen Veränderungen bzw. Ergänzungen aus Sicht des Bezirksamtes dafür notwendig wären.
Radweg auf der Prenzlauer Promenade nur stadteinwärts
Stadteinwärts führt ein Radweg, der 2011 komfortabel asphaltiert wurde. Stadtauswärts dagegen finden Radfahrende und auch zu Fuß Gehende keine eigene Infrastruktur vor. Es fehlt zwischen Arnold-Zweig-Straße und Rothenbachstraße schlicht an Platz. Selbst die BVG muss an dieser Stelle auf ein Wartehäuschen verzichten und ihre Fahrgäste im Regen stehen lassen. Zwar gibt es seit vielen Jahren Überlegungen zum Ankauf von Kleingartenflächen und der Bezirk weist auch schon mindestens ebenso lang auf diese unschöne Situation hin, aber die zuständige Senatsverwaltung auf Landesebene setzt hier offenbar andere Prioritäten.
Bis zur Realisierung eines Geh- und eines Radweges geht in Berlin gern mal ein halbes Jahrzehnt und mehr an (Um-)Planungen vorüber. Dazu kommt, dass an der Prenzlauer Promenade vorher noch Grundstücke angekauft müssen. Dies sollte ursprünglich bereits 2015 geschehen, dann wieder im Jahr 2017 – und wurde doch aber immer wieder verschoben. Aktuell ist der Ankauf Teil der Investitionsplanung des Landes Berlin bis 2021. Das angekaufte Land muss darauf außerdem noch entsprechend umgwidmet werden – ein Prozess der nicht nur in Berlin mehrere Jahre dauert. Eine Realisierung des Radwegs ist innerhalb der nächsten 5 Jahre ist also völlig ausgeschlossen.
Stadtauswärts ist die Realisierung eines Radwegs trotz erster Planungen längst nicht in Sicht
Wissend um diese Situation fordert der im Verkehrsausschuss zu beratende Antrag die Umsetzung einer temporären Lösung. Denn aktuell müsssen Radfahrende, wenn sie sich regelgerecht verhalten wollen, auf der Fahrbahn fahren. Der rechte Fahrstreifen der Prenzlauer Promenade ist zwar etwa bis zur Arnold-Zweig-Straße breit genug, so dass Radfahrende auch innerhalb des rechten Fahrstreifens mit dem gebotenen Sicherheitsabstand überholt werden können. Ein entspanntes Radeln auf der entweder zugestauten oder als Rennstrecke benutzten Autobahnzubringerstraße ist jedoch meist nicht möglich.
Spätestens mit Beginn der Kleingartenanlagen auf Höhe der Binzstraße wird auch die rechte Fahrspur auf der Prenzlauer Promenade so schmal, dass ein regelgerechtes Überholen von Radfahrenden nur noch mit einem Spurwechsel der Überholenden möglich ist – und der unterbleibt häufig. In der Folge nutzen viele Radfahrende im südlichen Abschnitt die parallele Anliegerstraße der Prenzlauer Promenade. Im weiteren Verlauf nutzen viele Radfahrende auch regelwidrig den Radweg entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung und begeben sich somit an den Keuzungen in große Gefahr.
View Larger MapProblemfall Kreuzung Elsa-Brändström-Straße Ecke Prenzlauer Promenade
So müssen Autofahrende beispielsweise beim Einbiegen von der Elsa-Brändström-Straße in die Prenzlauer Promenade die Vorfahrt der von links kommenden Radfahrenden und des Kraftverkehrs berücksichtigen, was bereits jetzt schon zu zahlreichen Unfällen geführt hat. Die Polizei zählt bereits jetzt allein an dieser Kreuzung 17 durch Unfälle verletzte Radfahrende innerhalb der letzten fünf Jahre. Zusammen mit den anderen Kreuzungen zwischen Am Steinberg und der Granitzstraße erhöht sich diese Zahl auf 74 verletzte Radfahrende innerhalb von 5 Jahren – allein an den Einmündungen.
Neben dem Vorfahrt berechtigten Radverkehr müssen Autofahrende beim Abbiegen von der Elsa-Brändström-Straße in die Prenzlauer Promenade auch den Vorrang der zu Fuß Gehenden, die die Prenzlauer Promenade an dieser Stelle queren wollen, beachten. Die meisten zu Fuß Gehenden verzichten an dieser Stelle selbst nach längerer Wartezeit auf ihren Vorrang gegenüber dem abbiegenden Verkehr. Aus diesem Grund plant die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz an dieser Stelle noch 2018/19 die Errichtung einer (Bedarfs-) Fußgängerampel.
Würde der Radweg an dieser Stelle auch in die Gegenrichtung geöffnet werden, müssten Autofahrende beim Einfahren in die viel befahrene Prenzlauer Promenade neben dem erheblichen Autoverkehr auch erst den von links und dann den von rechts kommenden Radverkehr die Vorfahrt gewähren, um dann noch den Fußgängerverkehr das Überqueren zu ermöglichen. Folglich würden viele Autofahrende mit der Situation überfordert sein. Das Unfallrisiko, nicht nur für Radfahrende, allein an dieser Stelle würde massiv ansteigen.
Bezirksamt und Senat halten Zweirichtungsradweg auf der Prenzlauer Promenade für zu gefährlich
Das Bezirksamt schätzte daher bereits 2011 die Gefahren für Radfahrende durch einen Zweirichtungsradweg als zu hoch ein. Zum einem reiche die Breite des 2011 sanierten Radwegs nicht für eine Zweirichtungsführung aus. Hinzu kommt die bereits angesprochene Gefährdung an den einmündenen Straßen.
Auch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die für Radverkehrsanlagen entlang von Hauptstraßen verantwortlich ist, hält einen Zweirichtungsradweg entlang der Prenzlauer Promenade für zu gefährlich, wie deren Sprecher Matthias Tang 2017 gegenüber der Berliner Woche ausführte.
Auch der ADFC rät von der Freigabe in die Gegenrichtung ab
Der Einschätzung der Straßenverkehrsbehörden des Landes und des Bezirks schließt sich auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) an. Susanne Jäger, ADFC-Fachreferentin für Verkehr und Sprecherin des Pankower ADFC steht einem Zweirichtungsradweg, dazu noch über mehrere Kilometer und mit kreuzenden Straßen, sehr kritisch gegenüber:
"Zweirichtungsradwege sind an innerörtlichen Straßen mit Kreuzungen, Einmündungen und Grundstückszufahrten immer problematisch. Die Hürden, die die Verwaltungsvorschrift zur StVO hier anlegt, sind aus gutem Grund sehr hoch. Der bauliche Radweg an der Westseite der Prenzlauer Promenade ist mit seiner Breite schon für die Einrichtungsführung nur knapp geeignet, bei einer Freigabe für den gegenläufigen Radverkehr sind Konflikte und Unfälle zwischen Radfahrenden, bzw. ein Ausweichen auf den Gehweg und die damit einhergehende Gefährdung von zu Fuß Gehenden vorprogrammiert."
Alternativvorschlag des ADFC: Stadtauswärtsführender Radweg auf dem Mittelstreifen
Um die Situation für stadtauswärts Radfahrende schnellstmöglich zu verbessern, schlägt der ADFC eine andere temporäre Lösung vor. Statt Radfahrende zwar legal, aber in trügerischer gefühlter Sicherheit in Gegenrichtung fahren zu lassen, plädiert der ADFC für die Anlage eines stadtauswärts führenden Radwegs auf dem Mittelstreifen – zumindest bis der Geh- und Radweg auf der Ostseite realisiert ist
Bis zur Einmündung der Treskowstraße bietet die überbreite östliche Fahrbahn ausreichend Platz zur Anordnung eines Radstreifens stadtauswärts. Ab der Treskowstraße könnte der Radweg in Mittellage weiter geführt werden. Eine entsprechende Querungsmöglichkeit für Radfahrende auf Höhe der Treskowstraße ist hier bereits vorhanden. Um die Radfahrenden in der Mittellage zeitgleich mit den Radfahrenden auf der Westseite der Prenzlauer Promenade sicher über die Kreuzung mit der Kissingenstraße zu führen, müssen nur die aus der Prenzlauer Promenade in die Kissingenstraße abbiegenden Fahrzeuge eine eigene Linksabbiegerphase erhalten.
Und anders als im zu beratenden Antrag beschrieben, ist die Breite des Mittelstreifens für eine Straßenbahntrasse in Mittellage derzeit sowieso nicht ausreichend. Sollte hier tatsächlich eine Straßenbahntrasse auf dem Mittelstreifen realisiert werden, so müsste erst der Mittelstreifen verbreitert werden – und das geht nur Richtung östlicher Fahrbahn. Und auch der bereits seit Jahren geplante Geh- und Radweg stadtauswärts lässt sich nur nach Ankauf von Grundstücken östlich der Prenzlauer Promenade realisieren. Eine “temporäre” Lösung für die Anlage eines Radweges in Mittellage steht also einer Straßenbahntrasse nicht im Wege, da die Straßenbahn erst gebaut werden kann, wenn der Mittelstreifen und damit Straße östlich verbreitert wird. Und diese Verbreiterung geht dann auch mit der Anlage des dauerhaften Geh- und Radweges einher.
Egal wie das Ergebnis Beratungen des Verkehrsausschusses am 8. März aussehen wird, Radfahrende stadtauswärts werden kurzfristig wenig akzeptable Alternativen haben. Zwar soll 2018 auf der Neumannstraße eine Radverkehrsanlage geschaffen werden, doch diese wird im Norden an der Binzstraße enden und die weitere Umsetzung steht auch hier in den Sternen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Politik im Bezirk deutlich stärker für einen sicheren Radverkehr im südlichen Pankow ausspricht.
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